Angestellt? Na frei[beruf]lich!

Tippende Hände: Angestellt und freiberuflich

Angestellt oder selbständig?
Auf der Suche nach dem optimalen Arbeitsalltag. Eine persönliche Geschichte in drei Akten.

Akt 1: Die Angestellte has left the building

Als ich vor ein paar Jahren entschied, dass mir die Programmierung zu trocken und unemotional ist, ließ ich nicht nur meinen Job als Head Of IT zurück, sondern auch ein Angestelltenverhältnis, das ich liebevoll »Die Sklavenhaltung« nannte. Mein Gehalt bezeichnete ich mit einem zwinkernden Auge als »Das Schmerzensgeld«.
Bevor ihr nun meine ehemaligen Arbeitgeber recherchiert und falsche Rückschlüsse zieht, muss ich sagen, dass das so meine Art von Humor ist. Die Agentur war cool, mein Sklaventreiber Vorgesetzter menschlich und meine Arbeit herausfordernd.
Eigentlich war alles fein – und trotzdem war ich nicht 100% zufrieden. Aber – verdammte Axt 2000! – ich war auch nie der Typ »Friss oder stirb! Egal, Hauptsache das Geld stimmt!«. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter.
Die hat meinen Ausbruch mit kritischen Augen betrachtet: »Ach, Kind… Das tolle Gehalt! Möchtest du das wirklich aufgeben?«.
So gesehen: Nein, eigentlich nicht. Und auf der anderen Seite: Irgendwie schon. Vielleicht. Selbständig sein.

Und dann, irgendwann im Sommer vor ein paar Jahren, war der berufliche Umschwung zum Greifen nah. Ich habe schon Wochen vorher überlegt, ob der Job wirklich das ist, was ich mein Leben lang machen möchte. Designs und Templates von kreativen Menschen funktional umsetzen. Datenbanken aufsetzen, Websites coden, Funktionalitäten programmieren. Auge in Auge mit dem Texteditor – mit verdammt wenig Platz für eigene Ideen. Es gab keinen Raum für kreative Entfaltung. Dafür waren immerhin die anderen zuständig. Die einzigen Gespräche, die ich in meiner Arbeitszeit führte, waren die mit mir selbst. Immer dann, wenn irgendwas nicht so klappte, wie ich dachte, dass es sollte. Wenn ich Glück hatte, konnte ich hin und wieder den Support von Hostern oder Software-Herstellern anrufen und mich da ein wenig festquatschen.

Ich träumte also von kommunkativer und kreativer Verwirklichung. Von Menschen, die meine Spinnereien ernst nehmen und mit mir umsetzen. Im Grunde träumte ich also von mir. Von mir in der Selbständigkeit. Haha. Wenn ich es versemmele, dann habe immerhin nur ich darunter zu leiden – zumindest quasi: Mein Mann, der übrigens auch Informatiker ist, hat einen sicheren Job und versprach mir Rückendeckung zu geben, falls ich die ersten Monate nicht viel Gewinn machen würde.

Ich schweife ab! Eigentlich wollte ich euch von dem Tag im späten Sommer erzählen. Ich fuhr – wie immer – ganz normal ins Büro. Wer meine Snapchat-Storys damals mitverfolgt hat, weiß vielleicht noch, wie ausgeburnt ich zu dem Zeitpunkt war. Und eigentlich war ich sogar so ausgeburnt, dass ich viel zu kaputt war mir Gedanken darüber zu machen, wie ausgeburnt ich eigentlich war.
Deswegen haute mich die Nachricht, dass wir DEN Kunden verloren haben, eigentlich gar nicht so wirklich aus den Klotschen. Immerhin bedeutete das, dass ich weniger Arbeit auf meinem Schreibtisch liegen hätte – und auf der anderen Seite wusste ich genau, was das für das Unternehmen und den wirtschaftlichen Aspekt bedeuten musste. »Mach meine Kündigung fertig«, hörte ich mich sagen. Und ich habe keine Sekunde darüber nachdenken müssen!
Hier eine Unterschrift, da eine Unterschrift. Zack zack, hatten wir das Formale erledigt. Ich wurde bei Lohnfortzahlung ab dem Tag freigestellt, was allerdings in der Branche normal ist. Es gibt immerhin genügend Menschen, die sich nicht innerlich schon auf eine Alternative eingestellt haben. Menschen, die vielleicht dann die Böcke haben, dem (ehemaligen) Arbeitgeber noch mal so richtig eins mitzugeben. In irgendwelche Codes schnell noch mit Timer eine Selbstzerstörung einbauen oder son Quatsch. Why not. Man hat ja eh nichts mehr zu verlieren, ne?
Ich verabschiedete mich von den Mitarbeitern. Nach dem Motto »Tschüssi, mich seht ihr nie wieder!«.
Und dann sagte ein Kollege etwas zu mir, was mir bis heute im Kopf hallt: »Du verlässt das Unternehmen? So überraschend? Und vor Allem: So glücklich?«.
Und ich glaube, dass das der Moment war, an dem ich es erst checkte: Ich war glücklich darüber, dass ich gehen durfte.

Akt 2: Selbstverständlich selbständig

Von tiefen Augenringen zu strahlenden Augen in 10 Sekunden!

Ich weiß, dass es übertrieben ist, wenn ich jetzt erzähle, dass ich nach dem Verlassen des Büros durch naturbelassene Wiesen gehüpft bin und lauthals »Freiheit, Freiheit« gesungen habe. Aber ich fühle mich so, als hätte ich das damals.
Ich schrieb meinem Mann und einer Handvoll engen Freunden, dass ich gekündigt wurde. Und dann steckte ich das Handy in meine Tasche und schlenderte durch die Gegend. Es war ein sonniger Tag und ich setzte mich in einem Park auf eine Bank und beobachtete Schmetterlinge, bevor ich mich irgendwann auf den Heimweg machte.
Dass mein Handy mittlerweile glühte, bemerkte ich erst viel später. Anscheinend machten sich meine Freunde Sorgen um meinen psychischen Zustand. Aber, wie gesagt: Die meisten Menschen haben sich nicht schon wochen- oder monatelang auf eine Alternative eingestellt.

Da stand ich also, Ende Dreizeig und habe etwas Neues gewagt: Weg von dem Logischen, hin zu der (unberechenbaren) Kommunikation. Ich habe meine IHK-Zertifizierung zur Social Media Managerin im Dezember abgeschlossen. Und nicht nur das: Ich habe mich zum Jahreswechsel 2017 auch selbständig gemacht. Bäm!
Beides hätte ich einige Monate vorher nie gewagt. Obwohl ich kein »Friss oder stirb! Hauptsache das Geld stimmt!«-Kind bin, so bin ich doch eigentlich eines der Sicherheiten. Und es gibt auch als Arbeitnehmer immerhin einige Vorteile:

  • Regelmäßiges Gehalt
  • Krankenkasse
  • Sozialabgaben
  • Geregelte Arbeitszeiten
  • Urlaub

Ich hatte das Glück, direkt mit ein paar Kunden starten zu können – und auch dieses ist meinen eigenen Spinnerein auf den sozialen Medien geschuldet. Meine Follower konnten in meinen Storys nicht nur meinen ehemaligen Arbeitsalltag mitverfolgen, sondern auch hautnah miterleben, wie ich meine ersten Schritte in der Freiberuflichkeit wagte. Und so sprach mit der Inhaber eine hannoveranischen Social Media Agentur an, ob ich nicht Böcke hätte, für ihn zu arbeiten. Jo, hatte ich! Und auch eine Berliner Agentur hatte ich mich durch meine Aktivitäten auf den sozialen Medien »entdeckt« und mich weiterempfohlen.
»Läuft bei mir!«, lachte ich mir ins Fäustchen. Ich arbeitete gerade mal höchstens ein bis zwei Stunden am Tag. Die restliche Zeit investierte ich ins Netzwerken, Weiterbilden und – man glaubt es kaum – ins Coden.
Und ein paar Sekunden des Tages habe ich ein bisschen Vermissen auf dem Programm gehabt. Ich habe nicht meine alte Arbeit vermisst. Nein, nein. Ich bin froh, dass ich jetzt kommunikativer bin. Zumindest online. Aber ein bisschen fehlt mir die geregelte Arbeitszeit mit Kollegen – und dieses »Unbeschwerte« dahinter. Zu wissen, dass alles geregelt ist und man nur noch seinen bescheidenen Teil beitragen muss, damit Krankenkasse und Sozialabgaben abgedeckt bleiben. Eigentlich ganz schön nice, ne?

Akt 3: Auf zwei Beinen kann man stehen

Ich habe nicht darüber nachgedacht, jemals wieder in ein Angestelltenverhältnis zu gehen. Aber vermissen darf man ja trotzdem. Das ist ein bisschen so, als vermisse man den Sommer während der kalten Wintermonate.

Dann war da plötzlich diese Anzeige bei Facebook. Ich weiß nicht mal genau, warum mir die angezeigt wurde. Eigentlich wusste ich nicht mal genau, was da eigentlich gesucht wurde. Aber ich wusste, dass ich mal gucken wollte, was passiert, wenn ich diesen ominösen »Jetzt bewerben«-Button klicke.

Ok, ich kann es euch sagen: Sämtliche Informationen, die man auf Facebook hinterlegt hat, werden an das inserierende Unternehmen geschickt. Mehr passiert da nicht. Für das Unternehmen sollte das ziemlich frustrierend sein, wenn ich überlege, dass ich tatsächlich Menschen in meiner Timeline habe, die in Hogwarts zur Schule gegangen sind und später auf der Police Academy waren.
Jedenfalls bekam ich innerhalb weniger Stunden eine Nachricht von der Agentur, dass ich ihnen doch bitte meine Bewerbungsunterlagen inklusive Motivationsschreiben per Email zukommen lassen sollte.
Was ich erstmal nicht tat – denn eigentlich wusste ich ja nicht mal genau, was gesucht wurde.
Nach nochmaliger Aufforderung tat ich dann allerdings das, was jeder gute Arbeitnehmer tut: Ich tat, wie mir gesagt wurde. Zwar hatte ich kein Motivationsschreiben, aber ich wies gewissenhaft in ein paar Zeilen Text darauf hin, dass man über diesen unmöglichen Zustand hinwegsehen solle, weil ich auf dem Sprung sei.
Und dann wurde ich tatsächlich eingeladen und erfuhr im Gespräch, dass ein/e Content ManagerIn für Werbung und Marketing gesucht wurde. Das ist sowas wie ein/e WerbetexterIn. Ich habe geantwortet, dass ich das bestimmt hinkriege.

Und was soll ich sagen? Ich habe das während der Probearbeit nicht nur hingekriegt – letztendlich habe ich den Job sogar gekriegt. Natürlich habe ich eine Vereinbarung über Nebentätigkeiten formuliert und dem Arbeitsvertrag beigefügt – damit ich auch weiterhin nebenbei freiberuflich tätig sein kann.

Und nun? Nun bin ich beides.
Halbtags angestellt und nebenberuflich selbständig.

Laptop am Strand: Angestellt und freiberuflich

 

 

 

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